Der Bore Out – warum Langeweile krank machen kann

Nicht nur Stress und Dauerbelastung machen krank, sondern auch das Gegenteil, lange Zeiten der Beschäftigungsarmut. Diese können genau wie Stress zu psychischen Problemen bis hin zur Depression führen. Daher lohnt sich ein genauerer Blick auf das Phänomen des Bore Outs, zumal dieser sehr viel häufiger auftritt, als den meisten von uns bewusst ist.

Zunächst ist zu klären, was unter einem Bore Out genau verstanden wird. Gemeint sind negative emotionale Folgen langer Phasen mit geringer Beschäftigung oder völliger Beschäftigungslosigkeit. Im schlimmsten Fall führen solche Phasen in eine voll entwickelte Depression. Diese ist dann auch nicht mehr durch eine Verbesserung der Beschäftigungssituation aufzulösen, sondern muss wie jede andere psychische Erkrankung umfangreich behandelt werden.

Der Unterschied zwischen Bore Out und Langeweile

Damit wir uns richtig verstehen: Reine Langeweile führt nicht zwangsläufig zu einem Bore Out. Dazu braucht es spezifische Rahmenbedingungen. Um den Unterschied zwischen potentiell krank machenden Arbeitsverhältnissen und normaler Langeweile zu verstehen, stelle ich Ihnen im Folgenden einige der typischen Rahmenbedingungen eines Bore Outs vor. Da Beschäftigungsarmut häufig mit unterschiedlichen negativen Emotionen und Gedanken einhergeht, finden Sie in Klammern Beispiele solcher negativen Gedanken.

  • Die Beschäftigungslosigkeit ist nicht selbst gewählt („Ich möchte ja arbeiten, aber ich kann die Arbeit nicht selbst erzeugen“)
  • Vom Unternehmen wird erwartet, dass man arbeitet, anderweitige Beschäftigung ist nicht erlaubt, gleichzeitig verhindern die Rahmenbedingungen der Arbeit aber ein Ausweichen auf andere Tätigkeiten („Mir wird von meinem Chef das Gefühl gegeben, ich solle mich nützlich machen, er hat aber auch keine passende Arbeit für mich“)
  • Angst sich mitzuteilen („Ich traue mich nicht zu sagen, dass ich noch freie Kapazitäten habe, da ich dann vielleicht als überflüssig angesehen werde“)
  • Die Gesamtsituation ist diffus („Wenn ich nicht bald einen sinnvollen Beitrag für mein Unternehmen leiste, wird das wahrscheinlich Konsequenzen für mich haben, ich weiß aber nicht wann und welche Konsequenzen“)
  • Existentieller Druck / unklare Zukunftsperspektive („Was passiert, wenn sich die Situation doch nicht mehr ändert und ich dann gefeuert werde?“)
  • Besonders kritisch: Man wurde vom Unternehmen aktiv aufs Abstellgleis geschoben („Man will mich loswerden, offensichtlich werden meine Fähigkeiten hier nicht wirklich gebraucht“)

 

Letztlich ist das Problem also nicht die Langeweile, sondern der psychische Stress, der aus der Beschäftigungslosigkeit gepaart mit fehlenden Handlungsoptionen entsteht. Gleichzeitig ist aufgrund der fehlenden Beschäftigung viel Zeit für negative Gedanken vorhanden, die in kognitiven Abwärtsspiralen und schließlich zu ernsthaften psychischen Problemen führen können.

Warum Bore Outs häufig auftreten

Viele von Ihnen denken jetzt vielleicht: „Wenn jemand sich langweilt, soll er sich etwas Sinnvolles suchen, was er tun kann. Es gibt ja immer etwas zu tun.” Aber so einfach ist das in unserer hochdifferenzierten Arbeitswelt nicht. Vor allem in großen Unternehmen sind die Aufgabenbereiche der Mitarbeiter:innen stark ausdifferenziert und sehr klar umrissen. Unterliegen diese Aufgabenbereiche dann z.B. starken, zyklischen Schwankungen in der Arbeitsbelastung, entstehen Positionen, in denen Sie zwischen Burn out und Bore Out pendeln.

Beispiele:

  • Unternehmensberatung: Liegen keine Kundenprojekte vor, kann der/die hochspezialisierte Berater:in niemanden beraten
  • Steuerberatung / Wirtschaftsprüfung: Gesetzliche Vorgaben z.B. zu Abgabefristen sorgen für starke Schwankungen in der Arbeitsbelastung
  • Sachbearbeitung: Nicht jede Verwaltungstätigkeit fällt kontinuierlich an. Einige Tätigkeiten verlaufen stark saisonal oder zyklisch

 

Wege aus dem Bore Out

Der oder die einzelne Mitarbeiter:in kann natürlich dem Bore Out entgegenwirken, indem er oder sie aktiv auf die Situation aufmerksam macht und Führungskräfte nach Arbeit fragt. Der größere Hebel liegt aber auf der organisatorischen Ebene. Hier können Unternehmen einiges tun, um Bore Outs in der Mitarbeiterschaft vorzubeugen:

  • Flexible Arbeitszeitmodelle etablieren, die auch tatsächlich umgesetzt werden und nicht nur auf dem Papier stehen
  • Job Enlargement: Flexible Positionsbeschreibungen und ein Ausweiten der Tätigkeitsfelder einer Position
  • Moderne Arbeitsplatzgestaltung inkl. Home Office, Angebote zur Steigerung der Work-Life-Balance, Arbeitszeitkonten etc.
  • Umfangreiche Weiterbildungsangebote auf unterschiedlichen Ebenen für Zeiten geringer Beschäftigung
  • Und vor allem: Etablieren einer vertrauensvollen und positiven Unternehmenskultur, in der eine geringe Beschäftigung nicht zu Ängsten und psychischem Stress bei den betroffenen Mitarbeiter:innen führt

 

 

Ihr Ronald Franke

 


Über den Autor:

Dr. Ronald Franke ist Geschäftsführer der LINC GmbH, promovierter Wirtschaftspsychologe und zertifizierter systemischer Coach. Als Berater und Trainer war er für Unternehmen aus den Bereichen Automotive, Pharma Maschinenbau und Handel tätig. Sein Wissen gibt er außerdem seit über 10 Jahren als Dozent an Hochschulen weiter (u. a. Leuphana Universität Lüneburg, FOM Hamburg).


 

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